Mit der Vespa durch die Toskana – ziemlich klischeemäßig. Ich hätte genauso gut mit der Harley durch Kalabrien fahren können. Aber ich wollte das uritalienische Lebensgefühl der Vespa in der uritalienischen Sehnsuchtslandschaft Toskana erleben. Im Hotel hörte ich von der Möglichkeit, ab San Gimignano mit der Vespa durch die Hügellandschaft der Toskana zu rollen. Erste Entscheidung: Nur die Vespa ausleihen und alleine rumfahren oder eine geführte Tour machen? Ich entscheide mich für eine geführte Tour und verrate euch, wieso das in manchen Fällen die schlauere Entscheidung ist.

Auf nach San Gimignano
Ich hatte mich für die Route „Volterra-Ring“ entschieden, die der Vespa-Verleih Bellini in San Gimignano anbietet. Vom schönen San Gimignano geht es nach Volterra, einer nicht weniger authentischen Stadt inmitten der toskanischen Hügel, und auf einer anderen Route zurück zum Ausgangspunkt. Insgesamt 60 km Vespa-Tour, die mit Fotostopps, einer Stadtbesichtigung und italienischem Dolce Vita in Volterra gefüllt werden. Ich werde beim Vespa-Verleih von Dimitri empfangen, der in sehr gutem Englisch die Einzelheiten erklärt. Und jetzt kommt die zweite Entscheidung: Selber fahren oder bei Dimitri hinten mitfahren?
Vespa selber fahren oder mitfahren?
Dimitri erzählt von Touristen, die ihre Fahrkünste heillos überschätzt und das mit einem Krankenhausaufenthalt bezahlt haben. Das passiert praktisch jede Saison. „Du musst ein erfahrener und sicherer Fahrer sein. Es gibt viele enge Kurven und wenn du zu schnell hineinfährst, rutschst du weg.“ Wenn ich dazu noch an den berühmt-berüchtigten Fahrstil der Italiener und meinen Rollerunfall in Thailand denke, entscheide ich mich für die Mitfahrvariante der Toskana-Vespa-Tour.

Helm auf, festhalten und los geht’s!
Die weiße Vespa, auf die wir uns schwingen, sieht aus wie aus einem Werbeprospekt. Kein Wunder, dass dieser formschöne Roller für ein Lebensgefühl steht. Ich habe die Wahl, mich an Dimitri zu klammern oder an zwei seitlichen Bügeln festzuhalten. Da Dimitri nicht irgendein bel ragazzo ist, der mich mit Ciao-Bella-Rufen auf der Straße zum spontanen Mitfahren aufgegabelt hat, halte ich mich brav an den Bügeln am hinteren Teil des Sitzes fest. Der Helm darf natürlich nicht fehlen. Wir brausen los und ich stelle fest, dass ein kurzer Rock ein ganz schlechtes Outfit für eine Vespa-Tour ist. Aber nun gut, die Autofahrer freuen sich.

Sehnsuchtslandschaft Toskana
Kurz hinter der Stadt halten wir an einem Aussichtspunkt und sehen, wieso San Gimignano das Manhattan des Mittelalters genannt wird. Das Städtchen in der zentralen Toskana wird von vielen Türmen überragt und ist schon von weitem unverwechselbar. Die Wanderung nach San Gimignano ist übrigens einer meiner Geheimtipps in der Toskana. Es ist warm, aber bewölkt. Ich genieße den warmen Fahrtwind und die sichere Fahrweise Dimitris. Ganz entspannt lasse ich auf der Vespa-Tour durch die Toskana die einmalige Landschaft auf mich wirken: Auf die sanften Hügel getupfte Olivenhaine, urige Steinhäuser mit Zypressenalleen, harmonische Weinberge und ausgedehnte goldene Weizenfelder. Toskana wie aus dem Bilderbuch.

Gefährliche Kurven und italienische Fahrweise
Die Straßenbiegungen haben es tatsächlich in sich und manche entgegenkommenden Autofahrer schneiden gefährlich die Kurve. Es regnet kurz und die Fahrbahn ist nass. Ich bin froh, dass Dimitri die Vespa steuert und ich fotografieren und mich ausgiebig auf der Vespa-Tour durch die Toskana umschauen kann. Bevor wir den Berg erreichen, auf dem Volterra thront, halten wir an einem riesigen roten Stahlring, dem „Anello di San Martino“. Das Wahrzeichen Volterras, vom einheimischen Künstler Mauro Staccioli geschaffen, wirkt wie ein Portal in eine andere Dimension.

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Die Gassen von Volterra
In Volterra angekommen, stellen wir die Vespa am Ortseingang ab und erkunden die schmalen, gepflasterten Gassen der Etruskerstadt. Dimitri zeigt mir die schönsten Ecken und erzählt etwas über die Geschichte dieser alten Stadt. Schon die Römer haben es sich mit einem Theater und Thermen, deren Überreste heute zu sehen sind, hier bei herrlichstem Panoramablick gut gehen lassen. Vorbei an einladenden Eisdielen, duftenden Trattorien und buntem Touristenklimbim, setzen wir uns in ein unscheinbares Café, ganz untouristisch. Einheimische trinken an der Theke in Windeseile den Espresso aus, Männer diskutieren mit den Händen vermutlich über Weltpolitik – manchmal ist ein Klischee auch einfach die Realität.
Von verpeilten Urlaubern und Knochenbrüchen
Ich bin noch satt vom toskanischen Kochkurs, den ich vorher gemacht habe und lausche bei einem kühlen Getränk Dimitris Geschichten. Er erzählt kuriose Anekdoten von Touristen, die Saison für Saison auf der Vespa die Toskana erleben möchten. Von verpeilten Urlaubern, die komplett verloren gehen und erst mitten in der Nacht auftauchen, von Touristen, die sich total überschätzen und bei Unfällen mit der Vespa Knochenbrüche davontragen. Gut, dass ich nicht selber fahre. Am beliebtesten sind Vespa-Touren übrigens bei Amerikanern, weil sie in der Toskana das Italien finden, wie sie es sich vorgestellt haben. Wo wir wieder beim Klischee wären. Was diesen Urlaubern bestimmt auch gefallen hätte, ist die Weinprobe und der Terracottakurs, an dem ich mit meinem Mitblogger Dirk im Hotel Il Castelfalfi teilgenommen habe.

Meditation auf der Rückfahrt
Noch ein paar Fotos von Volterra und wir fahren auf einer anderen Straße zurück nach San Gimignano. Wieder viele verwackelte Fotos während der Fahrt, staunen über das landschaftliche Meisterwerk der Natur und die Frage, wieso die Vespa-Tour bald zu Ende ist? Ich könnte mich ewig so durch die Toskana herumfahren lassen. Es hat etwas Dekadentes und gleichzeitig sehr Beruhigendes. Die Landschaft und das Surren der Vespa lullen mich so ein, dass ich mich fast an Dimitri schmiegen möchte, um vor mich hin zu träumen. Ich erwache erst aus meinem meditativen Zustand, als San Gimignano mit seinen markanten Türmen in Sicht kommt. Etwas steif, aber glücklich steige ich von der Vespa ab. Grazie Dimitri, die Vespa-Tour mit dir war klasse! Jetzt schaue ich mir noch San Gimignano an und hole mir bei der berühmten Eisdiele als krönenden Abschluss ein Gelato – ganz klischeemäßig.

FAZIT: Für jemanden mit wenig oder gar keiner Fahrpraxis auf einem Roller würde ich die Vespa-Tour auf eigene Faust nicht empfehlen. Seid ihr aber schon etwas erfahren und fahrt umsichtig, steht der selbstgelenkten Vespa-Tour nichts mehr im Wege. Bedenkt, dass die Fahrt mit einer zweiten Person auf der Vespa mehr Erfahrung braucht, als wenn ihr alleine fahrt, weil der Schwerpunkt sich verschiebt. Wenn ihr nicht selber fahrt, entgeht euch zwar der direkte Fahrspaß, aber dafür müsst ihr euch auch nicht konzentrieren und könnt die Fahrt uneingeschränkt genießen. Mit einem Guide wird es zwar teurer, aber ihr habt gleichzeitig den Luxus eines Fahrers und Stadtführers in einem.

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Vespa mit oder ohne Guide könnt ihr in San Gimignano bei Bellini mieten. Als Standort kann ich euch das Dorf Castelfalfi zwischen San Gimignano, Florenz und Pisa empfehlen. Ich habe dort unter anderem die perfekte Pizza gebacken und an einer Trüffelsuche mit Hund teilgenommen.